Stresstests für Fahrradfahrer und Video-Touren durch Ludwigsburg – Wie ein neues Beteiligungsformat Aspekte der Stadtentwicklung gemeinschaftlich, digital und analog denkt

Zweiter Makeathon in Ludwigsburg. Fraunhofer-Forscher entwickeln gemeinsam mit Bürgern, Kreativen, Industrie und Verwaltung digitale Ideen für die Weststadt und erproben ein neues Governance-Format für smarte Quartiersentwicklung. 

Die Stadt Ludwigsburg nimmt an dem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Wettbewerb »Zukunftsstadt« teil, der Kommunen dazu ermutigt, die Stadt von Morgen zu denken. Schauplatz in der baden-württembergischen Kommune ist der Ludwigsburger Stadtteil Weststadt, in welchem sich u. a. ein Industrieviertel in der Transformation befindet. In diesem Kontext wurde Mitte dieses Jahrs im Rahmen des ersten von insgesamt drei geplanten Makeathons das sogenannte »Stadtlabor« in der ehemaligen EnBW-Werkhalle in der Hoferstraße eingerichtet. Es handelt sich dabei um eine kreative Arbeitsfläche, in der Vertreter und Vertreterinnen von Kreativen, Bürgerschaft, Verwaltung, Stadtmuseum und –bibliothek sowie Forschung und Industrie gemeinsam Ideen für die Zukunft der Weststadt entwickeln und prototypisch umsetzen. Zum Einsatz kommen dabei sowohl analoge Materialien wie Werkbänke und Holzpaletten als auch digitale Materialien wie Virtual-Reality-Brillen und 360-Grad-Kameras. Die Bezeichnung Makeathon ist ein Neologismus aus dem englischen »make« für machen und »Marathon«. Es handelt sich dabei um ein Veranstaltungsformat, bei dem in einem zeitlich begrenzten aber intensiven Prozess durch die Teilnehmer gemeinsam Ideen entwickelt und prototypisch umgesetzt werden.

Stand während des ersten Makeathons noch die Gestaltung des Stadtlabors selbst im Vordergrund, widmeten sich dieses Mal die rund 30 Teilnehmenden 15 Stunden lang der zukünftigen Gestaltung des Straßenraums. Mit von der Partie waren dabei federführend das Kreativbüro Tinkertank, die Ludwigsburger Stadtverwaltung und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO aber auch Vertreter der Firmen MHP und station-i, des Einzelhandelsvereins LUIS und des Bürgervereins Weststadt.

 

Stresspunkte im Verkehr, virtuelle historische Stadtrundgänge und der Klang der Weststadt

Im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung (5.-6. Oktober 2017) bildeten die Teilnehmenden drei interdisziplinäre Projektgruppen, die sich verschiedenen Aufgabenstellungen annahmen. So erhob eine Gruppe, moderiert vom Fraunhofer-Forscher Sven Dübner, mithilfe von Armbändern biostatische Daten, über das Angst- und Stressempfinden von Fahrrad- und Pedelac-Fahrern und -Fahrerinnen, die sich in der Weststadt bewegten und erstellte so eine Heatmap, die es ermöglicht, die Kreuzungen und Straßenabschnitte zu ermitteln, an denen die Probanden Stress empfanden. Mithilfe von Kameraaufzeichnungen wurde dann ergründet, weshalb es an den besagten Orten zu besonders hoher Stressbelastung kommt.

Eine weitere Teilnehmergruppe, an der auch die Fraunhofer-Stadtexpertin Nora Fanderl beteiligt war, widmete sich den Möglichkeiten der Erweiterung des Stadtraums durch digitale Technologien. So wurde am Westportal des Bahnhofs bspw. ein QR-Code platziert, der es Interessierten ermöglicht, mithilfe des Smartphones eine 360-Grad-Aufnahme anzusehen, die eine Fassadenbegrünung am Fahrradparkhaus und den umliegenden Wohnhäusern zeigt. Die Technologie kann vielfältig eingesetzt werden: Durch in der gesamten Weststadt verteilte QR-Codes können so bspw. auch Besucher und Besucherinnen zu Märkten navigiert oder Stadtführungen ermöglicht werden, die Teilnehmenden auf dem Display des Handys historische Ansichten der jeweiligen Straßenzüge zeigen.

Die Fraunhofer-Wissenschaftlerin Constanze Heydkamp entwickelte mit der dritten Projektgruppe sogenannte Portale, die es Besuchern und Bewohnern gleichermaßen erlauben, ihre Umgebung intensiver wahrzunehmen. Eine Idee war es, am Westausgang des Bahnhofs eine Kompass-Säule zur Orientierung zu installieren, die Interessierten auf einem Display Informationen über interessante Orte in der gewünschten Himmelsrichtung anzeigt. Eine zweite umgesetzte Idee nennt sich „Stadtlabo(h)r“. Dabei handelt es sich um eine Sitzgelegenheit mit installierten Lautsprechern, die wie Ohren aussehen und den Nutzern näher bringen, wie die Weststadt in der Vergangenheit klang und heute klingt. Über diese Portale kann auch von außen auf das Stadtlabor und seine Funktion hingewiesen werden.

 

Der nächste Makeathon findet voraussichtlich Anfang 2018 statt und widmet sich dann gezielt dem Stadtraum. Interessierte können auch dann wieder teilnehmen und ihre eigenen Ideen einfließen lassen.